Donnerstag, 31. Januar 2013

Fiestas del fin del año

Das, was in Deutschland der Stress mit diversen Weihnachtsfeiern ist, ist hier der Stress mit den fiestas del fin del año. Bei der Arbeit und in Vereinen trifft man sich im festlichen Rahmen um auf das vergangene Jahr zurückzublicken, zu feiern und Zeit miteinander zu verbringen. Besonders bei den fiestas del fin del año, die ich in unterschiedlichen Gruppen, mit denen ich arbeite, miterleben durfte, hatte ich das Gefühl, hier in Argentinien angekommen zu sein und auf gewisse Weise meinen Platz gefunden zu haben.

La Navidad en Argentina

Bevor die Advents- und Weihnachtszeit anfing, dachte ich, dass es bestimmt schwierig würde, so weit von der Familie entfernt zu sein. Das war letztendlich aber gar nicht der Fall. Denn durch die völlig andere Atmosphäre kam bei mir nämlich gar keine Weihnachtsstimmung auf. Nicht nur die sommerliche Hitze, sondern auch die geringe Präsenz von Weihnachten in der Öffentlichkeit trugen hierzu bei.

Die einzigen Dinge, die anders als sonst waren, waren der Verkauf von Pan Dulce (=Art Sandkuchen, den es mit unterschiedlichen Füllungen gibt) und ein paar mit Goldbändern geschmückte Bäume an der Straße, an der ich wohne. Meine Mitbewohnerin und ich haben versucht, durch einen Adventskalender und Plätzchenbacken für Weihnachtsstimmung zu sorgen. Doch auch das lief schief.

Dieses Weihnachten war sehr anders als sonst, aber trotzdem wunderschön!

Sicherheit in dem, was ich will

Ende Oktober / Anfang November habe ich bemerkt, dass ich viel besser wusste, was ich will. Besonders hinsichtlich des Studiums bin ich mir jetzt sicher, dass Medizin eher nicht das Richtige für mich ist, sondern Journalistik oder Lehramt viel besser zu mir passen. Irgendwie ist es ein schönes Gefühl, besser Bescheid zu wissen!

La pobreza

Die Schere zwischen Arm und Reich ist hier in Argentinien sehr groß. Für mich war es erschreckend als ich bemerkte, wie schnell ich mich an die Konfrontation mit der hiesigen Armut - einer ganz anderen als in Deutschland - gewöhnt hatte. Trotzdem gibt es oft auch Tage, an denen mir die Armut besonders auffällt, auch außerhalb der Stadtteile, in denen ich arbeite. Dann sehe ich aufmerksamer die kaputte und dreckige Kleidung oder die schlechte gesundheitliche Verfassung einiger Menschen...

Zweiter Rundbrief


Ende Januar 2013

Zweiter Rundbrief

Liebe Unterstützer, liebe Familie, liebe Freunde und weitere Interessierte!

Für mich ist es unglaublich, wie schnell die Zeit hier vergeht. Nun bin ich seit einem halben Jahr in Argentinien und habe eine Menge erlebt. Dieser Rundbrief soll über meine Eindrücke bezüglich des Landes Argentinien, seiner Kultur, seiner Politik und der hier ausgeübten Religionen informieren.

In Argentinien gibt es jegliche Landschaftszonen, was bei einer Fläche von 2.780.000 km² kein Wunder ist. Deutschland hat – zum Vergleich – eine Fläche von 357.000km² und ist somit sogar kleiner als Gran Buenos Aires mit seinen ca. 400.000km². Allerdings wohnen in Deutschland fast doppelt so viele Menschen wie in Argentinien.
                Allein in Gran Buenos Aires wohnen etwa 12.000.000 der 41.000.000 Einwohner Argentiniens. Denn hier ist das Zentrum des Geschehens: Die meisten und besten Universitäten sind in Buenos Aires, die Hauptsitze vieler Firmen sind hier, die wichtigsten politischen Entscheidungen werden in Buenos Aires getroffen.
                Aus diesen Gründen ziehen immer mehr Argentinier sowie Immigranten in der Hoffnung hierher, Arbeit zu finden oder einen höheren Lebensstandard erlangen zu können. Die Realität ist häufig leider eine andere: Es gibt nicht unendlich viel Arbeit und die Region ist überfüllt. Somit ist die Schere zwischen Arm und Reich in Gran Buenos Aires besonders stark bemerkbar. Dies ist sowohl moralisch als auch sicherheitstechnisch betrachtet problematisch und berechnender Weise wird dieser Zustand in der Politik teilweise ausgenutzt, worauf ich im weiteren Verlauf dieses Rundbriefes noch etwas eingehen werde.

Vielen Leuten kommt, wenn sie an Argentinien denken, als Erstes Tango und ein hoher Fleischkonsum in den Sinn. Dass Tango ein Hauptkulturgut ist, stimmt nicht. Er ist beinahe nur in touristischen Gegenden gegenwärtig und um einen Tangokurs machen zu können muss man schon etwas suchen. Murga, ein gesellschaftskritischer Tanz zu Trommelmusik, ist um Einiges verbreiteter. Besonders in den Stadtteilen, in denen die Fundación Angelelli ihre Zentren hat, ist Murga sehr präsent und auch sonst bekommt man in der Öffentlichkeit viel mehr Murga und Reggaeton zu sehen und zu hören als Tango. Das Vorurteil hinsichtlich des hohen Fleischkonsums hat sich für mich bestätigt. Fleisch bekommt man hier äußerst günstig zu kaufen und es ist mit den asados (=Art Grillfest und traditionelle Zubereitung von Fleisch auf dem Grill) schon als ein fester Bestandteil der argentinischen Kultur anzusehen.
                Die Mañana-Mentalität (=Aufschieben von anstehenden Dingen und diesbezügliche Gelassenheit) ist hier allgegenwärtig, was ich einerseits schätze, andererseits aber auch kritisch sehe. So kann es beispielsweise sein, dass Reparaturarbeiten um Wochen oder auch Monate aufgeschoben werden. Ebenfalls kann es bedeuten, dass reuniónes (=Treffen zur Besprechung von die Arbeit betreffenden Themen) mate (=koffeinhaltiges Heißgetränk auf Basis von Yerba) trinkend über Stunden abgehalten werden ohne zu die Arbeit betreffenden Ergebnissen zu kommen. Es kann nämlich auch als wichtiger empfunden werden, über Familie oder Freunde und deren Wohlergehen zu reden. An manchen Tagen finde ich diese andere Wertvorstellung schön und die damit verbundenen Gespräche sehr interessant, wiederum an anderen Tagen frustriert es mich, ohne ein sichtbares Ergebnis von einer Stunden langen reunión nach Hause zu fahren.
                Etwas Anderes, das mir hier aufgefallen ist, ist, dass Umwelt- und Verbraucherschutz in Argentinien weniger Wichtigkeit zugeschrieben wird als in Deutschland. Nach jedem Einkauf hat man mindestens eine Plastiktüte mehr. Eine Mülltrennung im eigentlichen Sinne wird nicht vorgenommen. Am Straßenrand wird in manchen Gegenden jegliche Art von Müll verbrannt. Auch gibt es meistens keine Verbraucherinformation über die Herkunft der Waren oder Tierhaltung. Was diese Zustände angeht, frage ich mich manchmal, ob es nicht auch eine Art von Luxus ist, den wir in Deutschland durch die vielseitigen Bildungs- und Informationsmöglichkeiten genießen dürfen. Vielleicht sind aber auch andere Probleme viel dringender zu lösen.

Argentinien ist eine Präsidialdemokratie. Momentan ist Cristina Fernández de Kirchner Argentiniens Präsidentin.
                Da im Herbst diesen Jahres die nächsten Präsidentschaftswahlen anstehen, läuft der Wahlkampf auf Hochtouren. Zur Auswahl stehen Cristina Fernández de Kirchner, deren mögliche Regierungszeit eigentlich schon um ist, Monica Pérez und Daniel Scioli, der Präsident der Provinz Buenos Aires ist. Kirchner erschwert Scioli derzeit sehr die Regierung der Provinz Buenos Aires, indem sie ihm die finanziellen Mittel verweigert bzw. verringert. Das ist bei der Arbeit im sozialen und erzieherischen Bereich vermehrt spürbar, da die Möglichkeiten an Aktivitäten immer limitierter werden.
                Cristina Fernández de Kirchner eifert der „Mutter der Armen“ Eva Perón nach. Eva Perón war die Ehefrau des ehemaligen argentinischen Präsidenten Juan Perón, der in den 1940er-Jahren den Präsidentschaftstitel innehatte. Sie half den Armen und galt als Frau des Volkes. Jetzt wird sie als eine Art Göttin gefeiert. Diesen Titel scheint Kirchner anzustreben, indem sie den sozial schlechter Gestellten Versprechungen macht oder Aktionen anzettelt, die jedoch beinahe nie zu dem versprochenen Ergebnis führen und letztendlich häufig sogar den sozial schlechter Gestellten zum Nachteil werden. Beispielsweise wurde auf freiem Land in einer Region, wo viele Landbesetzer ihre Holz- oder Wellblechhütten bauen, vom Staat ein Häuserkomplex gebaut. Allerdings wurde bei der Konstruktion der Boden unbeachtet gelassen, sodass diese Häuser jetzt nicht bewohnbar sind, der Platz aber weg ist.

Bevor ich nach Argentinien kam, dachte ich, hier wäre die Mehrheit katholisch und sehr gläubig. Die Realität sieht – zumindest in Gran Buenos Aires – anders aus. Es gibt viele kleine Glaubensgemeinschaften, von denen aus deutscher Sicht bestimmt einige als Sekten angesehen würden. Außerdem scheint es mir eine beträchtliche Menge an Menschen zu geben, die an nichts Bestimmtes glauben.

Hoffentlich konnte ich anhand dieses zweiten Rundbriefes einen kleinen Einblick in mein Leben in Argentinien und meine Eindrücke des hiesigen Geschehens geben. Über Antworten freue ich mich sehr und bin auch gerne für Nachfragen offen!

Alles Gute und viele sommerliche Grüße,
Ihre / Eure Gabriele Höner